Gewebe- vom Ein- zum Vielzeller
VOM EIN- ZUM VIELZELLER
Die ersten Zellen waren einfache, kernlose, bakterienähnliche Zellen (Prokaryonten = Zellen OHNE Zellkern), bis vor etwa 1,5 Milliarden Jahren im Proterozoikum etwas Besonderes geschah: Vermutlich bildeten zwei Bakterien eine Symbiose (=Partnerschaft zwischen unterschiedlichen Organismen, die beiden Organismen nutzt). Die zwei Bakterienarten profitieren voneinander bis schließlich die eine Bakterienart die zweite als Endosymbiont in sich aufnahm. Ab jetzt waren sie nicht mehr nur Partner, die aufgenommene Bakterienart wurde zu Mitochondrien (also den Zellkraftwerken) mit eigener DNA und bei pflanzlichen Zellen wurden blaualgenähnliche Bakterien zu den Chloroplasten. Nun musste sich nur noch um die DNA der ersten Bakterie eine eigene Membran bilden, um die DNA zu schützen- der Zellkern war „erfunden“ und die erste eukaryontische Zelle hatte sich gebildet!
Ab diesem Ausblick stand der Vielzelligkeit nichts mehr im Wege und über eine Reihe von Zwischenschritten konnten sich aus einfachen Einzellern Vielzeller mit echten Geweben und Organen bilden!
Sehr gut lässt sich dieser Weg anhand der Grünalgen beobachten. Viele, noch immer existierende Arten repräsentieren die Stadien der Entwicklung zu Vielzelligkeit, vom (echten) Einzeller bis hin zu einfachen Gewebepflanzen.
Eine echte einzellige Grünalge ist Chlamydomonas. Die Alge kommt im Süßwasser und in feuchter Erde vor und bewegt sich mit Hilfe von zwei Geißeln.
Chlamydomonas pflanzt sich durch mitotische Zellteilungen fort. Mit jeder Zellteilung entstehen zwei idente Tochterzellen.
Zellkolonien ohne Arbeitsteilung
Den nächsten Schritt am Weg zur Vielzelligkeit bewerkstelligen Fadenalgen, Schraubenalgen und Kieselalgen.
Kieselalgen besitzen eine zweiteilige Kieselschale; fossile Formen bildeten das Kieselgur.
Auch sie pflanzen sich durch mitotische Zweiteilung fort, bleiben aber nach der Zweiteilung aneinander hängen, die Zellen trennen sich also nach der Teilung nicht. Jede Zelle ist für sich ein Einzelindividuum und kann nach Abtrennung von der Kolonie alleine leben.
Zellkolonie mit Arbeitsteilung
Die KUGELALGE (=Volvox) bildet Zellkolonien mit Arbeitsteilung. Eine Volvox Kolonie besteht aus bis zu 20.000 Zellen, die die Oberfläche einer Gallertkugel bilden. Jeder dieser Zellen besitzt zwei nach außen gerichtete Geißeln, einen Augenfleck und Chloroplasten.
Im Unterschied zu Zellkolonien ohne Arbeitsteilung besteht zwischen den Zellen bei Volvox ein Stoffaustausch und auch eine Reizleitung zwischen Zellen: ihr Geißelschlag ist synchron!
Kugelalgen haben zwei spezialisierte Zelltypen. Somatische Zellen übernehmen Fortbewegung und Ernährung und generative Zellen (im Kugelinneren), bilden durch Teilung Tochterkugeln.
Um die Tochterkugeln frei zu lassen, platzt die Mutterkugel-
die Mutterkugel stirbt. Die abgestorbenen somatischen Zellen der Mutterkugel sind quasi die einfachste Form einer Leiche.
Die Volvox stellt den Übergang vom Ein- zum Vielzeller dar. Im Tierreich gibt es ebenfalls solche Übergangsorganismen, nämlich Schwämme.
Einfache Vielzeller
Meersalat ist ein echter Vielzelle. Der zu den Grünalgen gehörende Organismus zeichnet sich wie alle echten Vielzeller dadurch aus, dass die Zellspezialisierung weiter geht als bei Volvox oder den Schwämmen:
- die Zellen verlieren die selbständige Lebensfähigkeit- sie überleben nur noch im Verband
- gleichartige Zellen schließen sich zu Geweben zusammen, diese zu Organen (Verbände von verschiedenen Geweben, Bsp. Bauchspeicheldrüse, Leber, Herz) und diese wiederum zu Organsystemen, die dann den Organismus bilden.
Am Weg vom Einzeller zum Vielzeller (Organismen mit Gewebe, wird der Bau der Organismen immer komplexer und somit ändern sich auch die Zellen. Sie werden spezialisierter und nehmen nur noch wenige Aufgaben (Nervenzellen sind NUR für die Reizleitung zuständig, Leberzellen für Stoffwechselvorgänge, …)
Wichtige Schritte am Übergang vom Einzeller zum Vielzeller sind:
- Zunahme der Zelldifferenzierung (Zellen übernehmen bei höheren Organismen nur noch spezielle Aufgaben, wie oben beschrieben: Nervenzellen sind NUR für die Reizleitung zuständig, Leberzellen für Stoffwechselvorgänge, usw.)
- Zunahme der Komplexität (der Organismus wird komplizierter, vielschichtiger gebaut)
- Zunahme der Funktionsfähigkeit (z.B. können Augentierchen zwar hell-dunkel unterscheiden, die Augen von manchen Wirbeltieren sind jedoch hochkomplex und hochauflösend, etwa sehen Adler extrem scharf und dies auf große Distanzen)
- Zunahme der Umweltunabhängigkeit (manche höhere Lebewesen- Landlebewesen- sind nicht mehr vom Lebensraum Wasser abhängig usw.
TIERISCHE GEWEBE
Definition Gewebe
Als Gewebe bezeichnet man einen Verband von gleichartig gebauten Zellen, die eine gemeinsame Aufgabe haben. Zwischen den Zellen befindet sich der Interzellularraum.
Arten von Gewebe
1.Epithelgewebe
2.Binde-/Stützgewebe
3.Muskelgewebe
4.Nervengewebe
Epithelgewebe
unterteilt in: Drüsengewebe und Oberflächenepithel
Aufgaben: bedeckt die äußeren/inneren Oberflächen des Körpers (Oberflächenepithel von Haut/Schleimhaut), Drüsengewebe (endokrin/exokrin); keine Gefäße => Ernährung durch Diffusion
Binde- und Stützgewebe
unterteilt in: Bindegewebe, Fettgewebe, Knorpel (hyalin, elastisch, Faserknorpel), Knochen
Aufgaben: Zusammenhalt der einzelnen Teile des Körpers, Form => Binde-/ Stützfunktion
Muskelgewebe:
unterteilt in: glatte, quergestreifte, Herzmuskulatur
Aufgaben: kann aktiv seine Form verändern, ermöglicht Bewegungen
Nervengewebe
unterteilt in: peripheres und zentrales Nervensystem
Aufgaben: dient der Verarbeitung/Fortleitung von Nachrichten
4.Nervengewebe
PFLANZLICHE GEWEBE
Grundsätzlich unterscheidet man bei Pflanzen Bildungsgewebe mit noch teilungsfähigen, nicht differenzierten Zellen und Dauergewebe mit bestimmten Funktionen und von bestimmter Gestalt. Ausdifferenziertes Gewebe ist aus nicht mehr teilungsfähigen Zellen aufgebaut. Dazu gehören:
- Abschlussgewebe (Hautgewebe)
- Grund- und Stranggewebe
- Speichergewebe
Bildungsgewebe
Zellen des Bildungsgewebes sind noch nicht differenziert, d.h. sie können sich in die verschiedensten Gewebetypen entwickeln. (Stammzellen). Zellen des Bildungsgewebes sind noch teilungsfähig und erneuern den Pflanzenkörper ununterbrochen.
Vorkommen: Wurzel- und Sprosspitzen sowie in den Blattachseln („Achselknospen“, aus denen sich junge Seitentriebe entwickeln). Im Inneren von Stämmen und Wurzeln von verholzenden Pflanzen, die jahrelang in die Dicke wachsen (= sekundäres Dickenwachstum), befindet sich ein mantelförmiges Bildungsgewebe, das Kambium. Es bildet nach innen Holzund nach außen Bast.
Dauergewebe
Ein Überblick über die verschiedenen Arten von Dauergeweben:
Abschlussgewebe
Die äußeren Abschlussgewebe
Die äußeren Abschlußgewebe sind Epidermis, Kork und Borke
Epidermis: umgibt als primäres Abschlussgewebe alle jungen Pflanzenteile. Sie ist einschichtig und bei oberirdischen Pflanzenteilen von einer wachsähnlichen Schicht, der Kutikula, überzigen. Die Kutikula ist wasserundurchlässig und bildet daher einen einen guten Verdunstungsschutz. Die Epidermis unterirdischer flanzenteile (Erdspross, Wurzel) besitzt keine Kutikula.
Korkgewebe: Aufbau aus luftgefüllten, toten, regelmäßig angeordneten Zellen. Es wird von einem eigenen Bildungsgewebe, dem Korkkambrium, gebildet, wenn der Stamm so weit in die Dicke gewachsen ist, dass die Epidermis zerreißt. Die Zellwand der Korkzellen ist mit wachsähnlichen Stoffen überzogen und stellt dadurch eine gute Isolationsschicht dar. Korkgewebe ermöglicht über spezielle Zellen den Austausch von Gasen.
Wenn der Stamm weiter wächst, wird auch der Kork zu eng, da das Korkgewebe nicht mitwächst. In tieferen Schichten werden weitere Korkschichten angelegt. Die außen liegenden Gewebe sterben dadurch ab. Mehrere Korkschichten zusammen mit dem ursprünglichen Gewebe bilden die Borke. Sie löst sich allmählich in Streifen oder Schuppen ab. Die Borke wird auch als tertiäres Abschlußgewebe bezeichnet.
Leitgewebe
Aufgabe: Flüssigkeiten von einem Teil der Pflanze in einen anderen zu leiten. Zwei Transportwege sind dabei zu unterscheiden:
Wasser und gelöste Nährsalze von den Wurzeln über den Stamm zu den Blättern
Assimilate (= Photosyntheseprodukte, hauptsächlich Zucker) von den Blättern in den Stamm und zu den Wurzeln
Wasser wird im Holzteil der Pflanze geleitet, Assimilate im Bastteil.
Die Leitelemente bestehen aus langgetreckten, übereinander stehenden Zellen, die sich so zu Röhren verbinden.
Siebzellen: Zellen, deren Zellwände oben und unten siebartig durchbrochen sind, so dass sie in dieser Richtung durchlässig sind. Ihre Zellkerne sind nicht mehr funktionsfähig, daher muss ihr Stoffwechsel durch Nachbarzellen, den Geleitzellen geregelt werden. Siebzellen leiten Assimilate, also organischen Stoffe wie Traubenzucker. Siebzellen sind im Bast zu finden.
Tracheen: langgestreckte, übereinander gestapelte tote verholzte Zellen, deren Querwände komplett aufgelöst sind. Dadurch kann die Leitung des Wassers ungehindert erfolgen. Die längsten Tracheen besitzen Lianen.
Bei Tracheen sind die Zellwände innen verstärkt, damit sie unter der Sogwirkung des Wasserstroms nicht zusammenbrechen.
Bei Tracheiden sind die Querwände noch erhalten. Daher leiten sie Wasser schlechter. Sie kommen v.a. bei Nadelhölzern vor. Tracheen und Tracheiden dienen der Wasserleitung und finden sich im Holzteil.
Festigungsgewebe
Festigungsgewebe haben als gemeinsames Baumerkmal verstärkte Zellwände, die oft auch verholzen (Einlagerung von Holzstoff = Lignin). Sie verstärken z.B. Kanten von Stängeln oder geben dem Holz als Fasern Zugfestigkeit
Grundgewebe (Parenchym) und Speichergewebe (Speicher-Parenchym)
Das pflanzliche Grundgewebe besteht aus vieleckigen bis rundlichen Zellen, die meist große Vakuolen enthalten und prall mit Wasser gefüllt sind. Dieser Druck (Turgor) verleiht dem Parenchym seine Festigkeit. Die Zellwände sind dünn und unverholzt. Nach der Funktion unterscheiden man zahlreiche Arten von Parenchymen:
- Speicherparenchym: enthält z.B. gespeicherte Stärke, Fett oder Eiweiß
- Wasserspeichergewebe: sehr große Zellen mit großen wassergefüllten Vakuolen
- Assimilationsparenchym: mit vielen Chloroplasten, dient der Photosynthese
- Durchlüftungsparenchym: mit vielen Lücken (Interzellularen) zwischen den Zellen, durch die Gase wandern können. Dies ist besonders bei Wasserpflanzen von Bedeutung.
Silke Geroldinger, 2018
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