Ökosystem Stadt
Stadtökologie
Stadt und Ökologie- ein Widerspruch?
- Wenn man vom „Ökosystem Stadt“ spricht, ist das kein Widerspruch in sich?
- Kann ein künstlicher Lebensraum (Stadt) als Ökosystem bezeichnet werden?
- Andererseits- was ist ein natürlicher Lebensraum? Gibt es heute überhaupt noch eine „echte“ Natur?
Was ist Natur?
- Allgemeine Definition von Natur
„lat.: natura, von nasci = entstehen, geboren werden, wird in verschiedenen Gesellschaften und auch innerhalb einer Gesellschaft unterschiedlich und teilweise widersprüchlich verwendet.“
- Integratives Naturverständnis
„Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde maßgeblich durch Ökologie und Kybernetik die Natur als selbst- regulatorisches System begriffen. Es entstand das ‚Wir- Welt- Verhältnis‛. Mit der Popularisierung der Ökosystemforschung gewinnen seit den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts mehr Menschen in den Industriestaaten die Einsicht, dass Natur nicht als Ganzes zu begreifen ist, sondern nur als ein offenes System, dessen Teil auch der Mensch mit seiner Kultur ist.“(Oldemeyer)
- Natur als Gegenteil von Kultur
„Unter Natur wird heute in westlichen Kulturkreisen im Allgemeinen das bezeichnet, was nicht vom Menschen geschaffen wurde. Man unterscheidet zwischen belebter (z. B. Pflanzen, Tiere) und unbelebter Natur (z. B. Steine, Flüssigkeiten, Gase)“.
- Natur als philosophischer Begriff
„Das, was natürlich (der Natur entstammend) und was nicht natürlich ist, ist vom Verhältnis der Menschen zu ihrer Umwelt geprägt. In diesem Zusammenhang steht Umwelt für das Nicht- Ich, das außerhalb des Ego des Menschen ist. Der Begriff Natur ist nicht wertfrei, so wird auch von Naturkatastrophen, Naturgefahren oder Ähnlichem gesprochen. Natur wird zur menschlichen Existenz in Beziehung gesetzt. Dieses Verhältnis ist vor allem durch emotional, ästhetisch und religiös wertende, normative Einstellungen bestimmt“ .(Oldemeyer)
- „Was ist Natur für mich?
Ergebnisse einer Umfage, die 335 Personen beantworteten:
Mit „Natur“ wird häufig Lebendes oder Blühendes assoziiert; grüne (naturnahe) Kulturlandschaften werden „natürlicher“ bewertet als „leblos“ wirkende „echte“ Naturlandschaften. Karg wirkende Naturlandschaften (wie Wüsten oder ähnliches) wurden nie genannt, sehr oft aber (Blumen-)Wiesen und Wälder.
Die Überschaubarkeit, vielleicht aber auch das Vertraute, scheint uns zu Wiesen aber auch zu Wälder zu ziehen.
Naturräume in Stadt und Land: Primäre vs. sekundärer Natur
Bei der Betrachtung von Natur müssen wir schließlich auch unterscheiden zwischen
Primärer Natur: Unberührte vom Menschen nicht beeinflusste Naturräume (in Österreich und global nur noch sehr selten zu finden- z.B. in Kernzonen von Nationalparks)
und
Naturnahe Kulturräume: Erscheinen uns sehr natürlich, wurden und werden aber von Menschen umgestaltet (bewirtschaftete Wälder, Almen,…)
sowie
Ruderalflächen/Natur aus „zweiter Hand“: vom Menschen gestaltete Räume, die von der Natur zurückerobert werden und wo die Natur sich zeitweise auch ohne (weiteres) Zutun des Menschen entfalten kann (Teile der Donauinsel in Wien, Industriebrachen, verfallene Friedhöfe,…)
Naturräume…
…ein Vergleich Stadt-Land
„Echte“ Natur
- In der Natur finden wir selten ein einheitliches Landschaftsbild.
- Wir finden immer Inseln, die Arten mit besonderen Bedürfnissen die Möglichkeit geben zu existieren.
- In einem Wald finden wir z.B. viele Bäume, sie wachsen sehr hoch um ihren Anteil am Licht zu ergattern. Kleinere Bäume und Gebüsche finden wir am Waldrand.
- Aber auch kleine, lichtbedürftige Pflanzen oder Jungbäume haben ihre Chance, etwa wenn ein toter Baum umkippt oder auch ein lebender Baum vom Sturm entwurzelt wird. Diese umfallenden Bäume reißen ein paar andere Bäume mit- es entsteht eine Lichtung- eine „baumfreie“ Insel im Wald, wo Jungbäume oder lichtbedürftige Pflanzen wachsen können.
Alte Kulturräume
- Auch in alten Kulturräumen gibt es viele unterschiedliche Strukturen, ein Mosaik an unterschiedlichen Kleinlebensräumen:
- Felder waren früher von Windschutzhecken umgeben.
- Oft verlief ein Bach samt Augehölzen neben einem Weg.
- Entlang des Weges oder entlang von Feldern wucherten krautige Pflanzen (Wegrain und Feldrain).
- In diesen Lebensräumen fühlten sich eine Vielzahl an Pflanzen und Tieren wohl und Bauern hatten kaum Probleme mit Schädlingen, da die Gehölze um den Feldern Vögeln und anderen Tieren Unterschlupf boten, die die Schädlinge fraßen und so den Schaden in Grenzen hielten
Natur(Erfahrung) am Land…heute
- Heute betreiben die meisten Bauen industrialisierte Landwirtschaft:
- Windschutzhecken mussten weichen, da man mehrere kleinere Felder zu wenigen großen zusammengelegt hat
- Viele Bäche wurden kanalisiert, damit man besser mit dem Traktor drüberfahren fahren kann. Auch wurden feuchte Wiesen trocken gelegt
- Gehölze in den Feldern wurden ausgeräumt- große Ackerbaumaschinen benötigen viel Platz
- Übrig blieben große Monokulturen, wo neben den Kulturpflanzen (z.B. Weizen) nur wenige Arten (über)leben können, am ehesten Schädlinge
Natur und Naturräume in der Stadt
- In der Stadt finden wir vielfältige Lebensräume, die verschiedenen Tieren und Pflanzenarten Lebensgrundlage bieten können:
- Gärten und Obstbaumwiesen mit alten Bäumen in Villenvierteln
- Parks
- Teiche und künstliche Seen in den Parks
- Häuserfassaden und Dachböden alter Häuser
- Alleebäume
- Begrünte Balkone
Artenvielfalt- Ein Vergleich Stadt-Land
- Ein Vergleich der Artenzusammensetzung von Vögeln ergab, dass in der Stadt viel mehr unterschiedliche Vogelarten zu beobachten sind als am Land.
- Aufgrund der großangelegten Monokulturen („Agrarwüsten“) finden viel weniger Vogelarten Platz um sich zurückzuziehen und Futter als in der Stadt mit ihren vielen, unterschiedlichen Lebensräumen.
- Selbst in Wien finden sich viele Tiere, die man nicht erwarten würde oder sogar bedroht sind: Füchse in allen Bezirken, Rehe, Fledermäuse und Feldhamster im Zentralfriedhof, Fledermäuse in Dachböden alter Kirchen, Spechte in Gärten von Villen, Wildschweine und Dachse in den Villengürteln am Stadtrand, Biber entlang der Donau und in der Lobau die seltene Europäische Sumpfschildkröte
- In Wien findet man sogar eine endemische Art: Megalothorax sanctistephani, ein 0,4 Millimeter kleiner Springschwanz, der ausschließlich in den Katakomben des Stephansdoms vorkommt.
- Ein weiteres sehr seltenes Tier in Wien in die Wiener Bänderschnecke (auch gerippte Bänderschnecke)
Probleme von Tieren und Pflanzen in der Stadt
- Pflanzen und Tiere in der Stadt müssen natürlich auch mit einer Menge Problemen fertig werden:
- Lichtverschmutzung: Das Hormonsystem vieler Parkvögel wird durch die permanente Beleuchtung gestört. Dadurch kommt es z.B. zu Verschiebungen im Sexualverhalten und Phänomenen wie der Vergewaltigung von Enten
- Alleebäume müssen eine gewisse Resistenz gegen gegen einen hohen Salzgehalt im Boden aufweisen (Streuungen im Winter
- Lärm und Verkehr
Anbei ein paar Natur-Fotos aus Wien und Linz
Fotos: Geroldinger